„Wie lässt sich durch Bewegungsmessung das optimale Therapieverfahren für den Patienten aussuchen,“ lautet eine Kernfrage, mit der sich das Projekt RehaBoard seit nahezu drei Jahren beschäftigt. Es geht um die Gangrehabilitation nach Schlaganfall. Das Besondere an diesem EU-geförderten Projekt: Neurologen, Orthopäden, Physiotherapeuten und Techniker arbeiten zusammen an Lösungen - unter der Beteiligung von Patienten. In der MEDICLIN Fachklinik Rhein-Ruhr stellten sie ihre bisherigen Ergebnisse vor.
Therapie wird individueller
Immer breiter wird das Angebot neurologischer Therapieverfahren. Das stellt Mediziner und Therapeuten vor neue Herausforderungen. Sie wollen wissen, wie sich Therapie noch individueller auf den Bedarf des Patienten einstellen lässt. Sprich: Was in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt einem Patienten am meisten nützt.
Ein vergleichsweise einfaches, aber wirkungsvolles Beispiel präsentierte Prof. Dr. Andrés Kecskemethy vom Institut für Technologien der Biomechanik und Biomaterialien Neukirchen-Vluyn. In einer abstrahierten Videoanalyse lassen sich vier Gangbilder eines Patienten zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Rehabilitation parallel abbilden. So lässt sich die Entwicklung für den Therapeuten, aber auch für den Patienten eindrucksvoll visualisieren.
Patienten einbeziehen
Prof. Dr. Mario Siebler von der MEDICLIN Fachklinik Rhein-Ruhr in Essen befragte Patienten der Schlaganfall-Selbsthilfegruppe Ratingen, worauf es ihnen in der Gangrehabilitation ankomme. „Wichtig ist, dass wir uns keine falschen Bewegungsmuster antrainieren“, sagt Sprecher Dirk Lößnitz. „Die bekommt man ganz, ganz, schwer wieder weg. Dafür ist das RehaBoard eine gute Chance.“
Gemeinsam stellten sie sich die Frage, warum der Fokus in der Gangrehabilitation immer auf Beinen und Rumpf läge. „Bei gesunden Menschen schwingen die Arme mit“, sagt Siebler. Doch Videoanalysen zeigten, dass bei Schlaganfall-Patienten mit Halbseitenlähmung selbst die gesunde Hand die Gangbewegung nicht mitmache und oft nur schlaff herunterhänge.
Ein schwingender Arm könnte sich positiv auf die Gehfähigkeit auswirken. Moderne Gangroboter sind darauf jedoch nicht ausgerichtet, oft müssen sich die Patienten beim Gangtraining festhalten. Das könnte ein neuer Denkanstoß für die Entwickler von High-Tech-Geräten sein. Zudem könnte auch eine gute Behandlung der Spastik im Arm positive Auswirkungen auf das Gehen haben.
Zu wenig Feedback und Interdisziplinarität
Bei aller Digitalisierung ging es in Essen auch um analoge Fragen. Denn in den Bewegungsanalysen fiel auf, dass es kaum fachübergreifende Untersuchungen von Schlaganfall-Patienten gibt, etwa von Neurologen und Orthopäden. Und Rückkoppelungsschleifen vom Physiotherapeuten an den Neurologen seien in unserem Gesundheitssystem nicht etabliert, stellte Prof. Dr. Harald Hefter (Düsseldorf) fest.
Das Projekt RehaBoard
Im Projekt RehaBoard geht es um die Entwicklung eines Computerassistenzsystems für die interdisziplinäre Behandlungsplanung bei Gangstörungen nach Schlaganfall. Projektpartner sind das Institut für Technologien der Biomechanik und Biomaterialien, der Lehrstuhl für Mechanik und Robotik der Universität Duisburg-Essen, die MEDICLIN Fachklinik Rhein-Ruhr, die Neurologische Klinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Klinik für Orthopädie am St. Marien-Hospital Mülheim und die Hochschule für Gesundheit Bochum. Gefördert wird das Projekt durch das Land Nordrhein-Westfalen und die EU.