Schlaganfall in der Corona-Krise
Martin: „Es war eine Krise in der Krise. Dass meine Mutter einen Schlaganfall erlitten hatte, war schlimm genug. Und das ausrechnet im März 2020 – mitten in der ersten Corona-Welle. Anfangs durften wir sie noch einige wenige Male besuchen, doch dann trat das Besuchsverbot in Kraft. Für die ganze Familie war es unglaublich schwer zu ertragen, dass wir ihr nicht persönlich beistehen konnten. Glücklicher Weise konnten wir ihr ein Tablet mit ins Krankenhaus geben. Da sie mit dem Videochat-Programm umgehen konnte, wurden die Chats zu unserem Strohhalm. Allerdings konnte sie nicht gut sprechen, was die Kommunikation schwierig machte.
Mit Musik beistehen
Meine Mutter liebt Musik. Sie sang im Chor, geht gerne zu klassischen Konzerten. Als Jugendliche hat sie Gitarre gelernt – auf der Gitarre, auf der ich auch später angefangen habe zu spielen. Als ich schließlich Berufsmusiker geworden bin, hat sie meinen Werdegang immer verfolgt, war auch oft mit bei meinen Auftritten. Ich habe schnell gewusst, dass ich ihr mit Musik am besten beistehen kann. Jeden Tag habe ich ihr über den Videochat live etwas vorgespielt. Außerdem habe ich Playlisten zusammengestellt, die sich im Krankenhaus und später in der Reha anhören konnte.
Die Idee: Ein Musik-Album, das Stimmungen und Gefühle in der schwierigen Zeit wiederspiegelt
Daraus ist die Idee entstanden, ein ganzes Album für sie zu machen. "Sonic Healing" ist eine fast 40-minütige Produktion, die viele Stimmungen und Gefühle in der schwierigen Zeit wiederspiegelt – von der Verzweiflung über die Krankheit und die Isolation während des Lockdowns bis hin zum neuen Mut, der Hoffnung und die Freude über die Fortschritte.
Der Lockdown hatte in diesem Fall einen kleinen Vorteil: Viele meiner Musiker-Kollegen hatten mehr Zeit als sonst. Ich habe ihnen meine Gitarrenaufnahmen geschickt und insgesamt elf Musiker haben dazu mit verschiedenen Instrumenten improvisiert. Eine Mischung aus elektronisch-sphärischen Klängen und Jazz, gespielt unter anderem auf der Geige, dem Kontrabass und dem Fagott. Das war eine tolle Zusammenarbeit, für die ich sehr dankbar bin!
Musik als Faktor für die Heilung
Der Moment, in dem ich meiner Mutter das Album vorspielen konnte, war sehr emotional. Wir durften uns während ihrer Reha im Freien treffen. Wir haben uns auf eine Bank an einem Feldweg gesetzt und die Musik über eine kleine Box angehört. Das war für uns beide unglaublich ergreifend.
Ich glaube, Musik wird als Faktor für die Heilung noch immer unterschätzt. Ich kann nur jedem raten, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Musik dient nicht nur zur Unterhaltung, sondern kann helfen, Emotionen zu verarbeiten und neue Hoffnung zu geben. Bei meiner Mutter ist Musik auf jeden Fall ein wichtiger Faktor, der sie bei ihrer Genesung begleitet. Sie gibt sich unheimlich viel Mühe und übt jeden Tag – vor allem sprechen. Ich habe riesigen Respekt vor ihrer Leistung."
Das Album können Sie hier bei youtube anhören.