Medizinische Fachgesellschaften
Im Juli wurde die neue S2k-Leitlinie „Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke“ publiziert. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) waren federführend bei ihrer Erstellung. Beteiligt war auch die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.
Teil 1 der neuen Leitlinie beschäftigt sich mit Plättchenhemmung und Antikoagulation („Blutverdünnung“) sowie der Therapie bei Bluthochdruck und hohen Cholesterinwerten.
Teil 2 fokussiert auf weitere Risikofaktoren, unter anderem auf den Lebensstil, Diabetes, die Hormonersatztherapie und die Schlafapnoe.
Besondere Bedeutung der Prophylaxe
Wiederholte Schlaganfälle – so genannte Rezidive – sind relativ häufig. Wie eine 2019 publizierte Analyse der Abrechnungsdaten der AOK Niedersachsen ergab, belief sich das Risiko eines Folgeschlaganfalls nach einem ersten Schlaganfall auf 1,2 Prozent nach 30 Tagen, 3,4 Prozent nach 90 Tagen, 7,4 Prozent nach einem Jahr und 19,4 Prozent nach fünf Jahren. Demnach muss fast jeder Fünfte, der einen Schlaganfall erlitten hat, innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen. Und bei einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) bilden sich die Symptome zwar innerhalb weniger Stunden komplett zurück. Dennoch ist das Schlaganfall-Risiko vor allem in den Tagen unmittelbar nach der Attacke deutlich erhöht. Der Rezidiv-Prophylaxe kommt somit eine besondere Bedeutung zu.
Blutdruck und Cholesterin senken
Der Blutdruck sollte nach einem Schlaganfall oder einer TIA langfristig unter 140/90 mm Hg gesenkt werden. Je nach Alter der Betroffenen, Verträglichkeit der Blutdrucksenker und Vorerkrankungen ist sogar eine Senkung auf systolisch 120 bis 130 mm Hg zu erwägen, wobei das Erreichen der Zielblutdruckwerte einen höheren Stellenwert als die Wahl der antihypertensiven Therapie hat. Als Zielwert der cholesterinsenkenden Therapie gilt ein LDL-C-Wert von unter 70 mg/dl.
"Blutverdünnung" enorm wichtig
So genannte Thrombozyten-Aggregationshemmer sollen die Verklumpung von Bluttplättchen und damit die Entstehung von Blutgerinnseln verhindern. Die Leitlinie empfiehlt dafür ausschließlich Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und Ticagrelor, andere Präparate haben mehr Nebenwirkungen oder es fehlt der Nachweis eines Zusatznutzens. Bei Betroffenen mit der Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern sollte immer eine orale Antikoagulation erfolgen, mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) oder Vitamin-K-Antagonisten.
Individuell angepasste Behandlung
„Die Thrombozytenaggregationshemmung und der Einsatz der oralen Antikoagulation sollten individuell je nach Blutungsneigung, Komorbiditäten und Risikofaktoren aufeinander abgestimmt werden. Die Leitlinie gibt hier einen Handlungskorridor vor, innerhalb dessen eine auf die einzelne Patientin/den einzelnen Patienten angepasste Therapie erfolgen kann“, erklären die Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).
Betroffene können ihr Risiko beeinflussen
„Für Betroffene sind insbesondere die Informationen zum Lebensstil von hoher Relevanz, da sie ihn selbst beeinflussen können“, erklärt Professor Tobias Kurth, einer der Autoren der Leitlinie. Was sollten sie dafür tun? Die Leitlinie rät zu regelmäßiger körperlicher Aktivität. Der regelmäßige Verzehr von Obst und Gemüse oder eine mediterrane Diät senken das Risiko eines Schlaganfallrezidivs und vaskulärer Folgeereignisse, dabei sollte der Salzkonsum reduziert werden. Betroffene sollten auf das Rauchen verzichten und den Alkoholkonsum reduzieren.
Blutzucker gut einstellen
Einem Diabetes mellitus als „gewichtigem“ Risikofaktor für Schlaganfälle sollte man möglichst vorbeugen. Diabetikerinnen und Diabetiker sollten nach einem Schlaganfall in jedem Fall auf eine gute Blutzuckereinstellung achten. Nach einer Schlafapnoe als zusätzlichem Risikofaktor sollte gezielt gesucht werden. Die nächtliche Überdruckbeatmung (CPAP) ist bei mittelschwerer bis schwerer Schlafapnoe die Therapie der Wahl. Schlaganfall-Patientinnen, die Kontrazeptiva einnehmen, sollten andere Verhütungsmethoden erwägen. Die Leitlinie betont aber, dass die Mehrzahl der hormonellen Präparate mit einem nur gering erhöhten Schlaganfall-Risiko verbunden ist.
Ärztliche Unterstützung wesentlich
„Gerade die langfristige Lebensstilumstellung stellt für viele Patientinnen und Patienten eine Herausforderung dar, bei der Medizinerinnen und Mediziner immer wieder Unterstützung leisten müssen“, betont DGN-Generalsekretär Professor Dr. Peter Berlit. „Die neurologische Nachsorge sollte dabei weit über die medikamentöse Einstellung der ‚klassischen‘ Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hohe Lipidwerte hinausgehen“.
Neben der DGN und der DSG waren diese Fachgesellschaften und Organisationen an der Erstellung der Leitlinie beteiligt:
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
- Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA)
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM)
- Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
- Deutsche Hochdruckliga e. V.
- Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
- Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e. V.
- Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e. V. (DGGG)
- Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
- Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH)
- Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL)
- Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN)
- Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
- Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie
- Deutsche Diabetes Gesellschaft
- Deutsche Gesellschaft für Pharmakologie
- Insulthilfe e. V.
- Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften
- Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)
- Schweizerische Hirnschlaggesellschaft (SHG)
- Österreichische Schlaganfall-Gesellschaft (ÖGSF)