Neurologische Rehabilitation heißt lernen
Neurologen und Neurobiologen in der ganzen Welt arbeiten mit Hochdruck daran, die Geheimnisse des menschlichen Gehirns zu entschlüsseln. Neue Studien lassen uns immer besser verstehen, welche Prozesse im (geschädigten) Gehirn ablaufen und unter welchen Voraussetzungen Therapien die größte Wirkung erzielen, sprich: das geschädigte Gehirn Fähigkeiten neu erlernen kann. Denn nur darum geht es: Neurologische Rehabilitation heißt lernen, was das Gehirn verloren hat.
Durch Wissenschaftler inspiriert, tüfteln Entwickler in ihren Laboren. Sie bauen Roboter, die Menschen bewegen, und erschaffen virtuelle Spielwelten, in denen Patienten jetzt ihre Therapien absolvieren. In ihnen wird aus einer anstrengenden Übung plötzlich ein Spiel. Es weckt den Ehrgeiz des Patienten, seine eigene Bestleistung zu schlagen. Die alte Gleichung „Rehabilitation ist vor allem harte Arbeit des Patienten“ verliert zunehmend ihren Schrecken.
Rasante Entwicklung ohne Vergleich
„Was in den letzten 30 Jahren an Entwicklung in der neurologischen Rehabilitation passiert ist, das gab es auf keinem anderen Feld der Rehabilitation“, erinnert sich Prof. Thomas Mokrusch, der frühere Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation. Damals habe man sich in der neurologischen Rehabilitation auf wenige Dutzend Studien stützen müssen, „heute sind es über 3.000“, sagt Mokrusch stolz.
Wie alle Geschichten hat aber auch diese einen kleinen Haken. Bis das, was in den High-End-Laboren dieser Welt entwickelt wird, in der Physiopraxis um die Ecke ankommt, kann sehr viel Zeit vergehen. Doch das muss es vielleicht gar nicht. Für die ambulante Gangrehabilitation zum Beispiel genügt in vielen Fällen schon ein Laufband, „da die meisten Patienten in ambulanten Praxen gehfähig sind“, sagt Jan Mehrholz, Professor für Neurorehabilitation in Gera.
Hochmoderne Gangroboter nutzten am meisten in der Rehaklinik, kurz nach dem Schlaganfall. Die Daten zeigten, „dass die Patienten, welche sehr schwer betroffen und eben nicht gehfähig sind, am meisten profitieren.“ Teure, hoch entwickelte Robotik ist therapeutisch also am besten in der Klinik einsetzbar. Für ambulante Praxen gibt es zunehmend mehr Therapieprogramme, die immer erschwinglicher werden.
Menschliche Grenzen werden erreichbar
Einige Entwickler verbreiten derzeit regelrechte Euphorie. Das ruft auch Kritiker hervor, die mahnen, viele Hirnschädigungen seien irreversibel. Vielleicht haben sie recht und es wird nicht so sein, dass neue Technologien die Grenzen des Machbaren verschieben. Doch neu ist: Sie machen diese Grenzen für viel mehr Patienten erreichbar. Und das ist schon eine ganze Menge.