Seinen Malerbetrieb wieder selbst leiten zu können, ist für Andreas Hess alles andere als selbstverständlich. Denn das Leben des Malermeisters aus Siershahn hat sich vor sieben Jahren schlagartig geändert. Es ist ein gemütlicher Sonntagmorgen – die Familie sitzt im Bett bei Kaffee und Kakao zusammen. Alexandra Hess sieht, dass die linke Gesichtshälfte ihres Mannes herabhängt, er sich verschluckt hat und den Kaffee ausspuckt. Sie zögert keine Sekunde und wählt die 112. Mit dem Rettungswagen geht es für den damals 48-Jährigen in die Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit) des Evangelischen Krankenhauses in Selters. Dort erhält die Familie die schreckliche Diagnose: Schlaganfall. „Das reißt einem den Boden unter den Füßen weg“, gibt Ehefrau Alexandra offen zu.
Doch es kommt noch schlimmer für die Familie: Andreas Hess erleidet tags drauf in der Klinik einen zweiten schweren Schlaganfall. „Der hat mir den richtigen Schlag verpasst, sodass ich komplett außer Gefecht war“, erinnert sich der heute 56-Jährige an den Moment des Schreckens. Seine linke Körperhälfte ist komplett gelähmt – ein halbes Jahr sitzt er im Rollstuhl. Ob der Familienvater je wieder nach Hause zurückkehren kann, steht zunächst in den Sternen.
Neben den gesundheitlichen Herausforderungen treibt das Ehepaar auch die existentielle Frage um: Was wird aus ihrem gemeinsamen Betrieb? Denn Andreas Hess führt einen Malerbetrieb in Siershahn in fünfter Generation und beschäftigt mehrere Mitarbeiter und Auszubildende. Auf der Intensivstation entscheiden die Eheleute, dass Alexandra die Geschicke des Betriebs übernehmen soll, bis ihr Mann wieder zurück ist. Hilfe erhielten sie anfangs auch von seinem Vater.
Während seiner Rehabilitation hält Andreas Hess aus der Ferne die betrieblichen Fäden in der Hand. Und auch die Belegschaft zieht mit: „Alle Mitarbeiter haben mich im Krankenhaus besucht und mir versichert, dass sie nicht von Bord gehen“, erzählt er. Das habe ihn enorm motiviert – ebenso wie die Unterstützung seiner Frau, seines damals siebenjährigen Adoptivsohnes Sammy und enger Freunde.
„Aufgeben“ – dieses Wort existiert im Wortschatz von Andreas Hesse nicht. Als die Ärzte ihm prognostizierten, dass er für immer im Rollstuhl sitzen und ein Pflegefall bleiben würde, trotzt er der Prognose.
Die Therapie und sein unerschütterlicher Wille zahlen sich letztendlich aus: Bereits zwei Monate nach den beiden Schlaganfällen macht Hess schon wieder seine ersten Schritte mit Hilfe der Therapeuten. Und heute – sieben Jahren später – arbeitet der Siershahner täglich - soweit möglich - in seinem Betrieb und leitet ihn erfolgreich.
Mit seinen Handicaps geht Hess offen um. „Die Leute reagieren sehr positiv, wenn ich ihnen von meinem Ereignis erzähle“, sagt er. Um anderen Mut zu machen, klärt er gemeinsam mit seiner Frau in sozialen Netzwerken über den Schlaganfall auf: „Ich möchte den Menschen sagen, dass Aufgeben keine Lösung ist. Erst recht nicht, wenn sich Familie oder Bekannte aufgrund des Ereignisses abwenden. Auch mit Einschränkungen bin ich ein vollwertiger Mensch und gehöre dazu.“ Seine Lebensfreude und Herzlichkeit konnten ihm die Schlaganfälle nicht nehmen. Weitermachen, nicht aufgeben, aufstehen und sich den Problemen stellen, das möchte Andreas Hess anderen Betroffenen mit auf ihren Weg geben.