Fortschritte nehmen mit der Zeit ab
2018 erleidet die Münchnerin Martina Augenstein eine schwere Hirnblutung und einen Hirninfarkt. Nach Krankenhausaufenthalt und langer stationärer Rehabilitation kehrt sie zurück nach Hause. Doch die Ereignisse hinterlassen schwere Folgen: die 51-Jährige ist halbseitig gelähmt und hat eine Sprachstörung. Ihren Job als Pressesprecherin eines großen Spielzeugherstellers kann sie nicht wieder aufnehmen.
Martina Augenstein erhält viele Therapie-Verordnungen: Physiotherapie für das Gangtraining, Ergotherapie für den gelähmten Arm und Logopädie für die Wiedererlangung der Sprache. Zuerst macht sie erfreuliche Fortschritte, doch mit den Monaten lassen die Verbesserungen nach. Eine Entwicklung, die alle Schlaganfall-Patienten kennen. Die Fähigkeit des Gehirns, sich neu zu organisieren, ist kurz nach einem Schlaganfall noch groß, nimmt jedoch mit zunehmender Zeit ab.
Neuroplastizität macht es möglich
Doch Martina Augenstein will sich mit ihrem Status nicht abfinden. „Da muss doch noch mehr gehen“, sagt sie sich und recherchiert. Ein Hersteller von Trainingsgeräten schließlich gibt ihr den Tipp, dass es in Offenburg eine interdisziplinäre Therapiepraxis gäbe, die sich auf die Behandlung von neurologischen Patienten spezialisiert habe. Und mehr noch: für Patientinnen wie Martina Augenstein, bei denen der Schlaganfall schon längere Zeit zurückliege, biete die Praxis sogenannte Intensivwochen an. Die Intensität des Trainings soll die „Neuroplastizität“ fördern, so nennen die Fachläute die Fähigkeit des Gehirns, ein Leben lang zu lernen.
Mittlerweile war Martina Augenstein vier Mal in Offenburg, jeweils für drei bis vier Wochen. Sie nimmt sich jedes Mal ein Zimmer, geht täglich in die Praxis und erhält dort bis zu viereinhalb Stunden Therapien. Daheim in München hätte sie maximal vier Therapieeinheiten pro Woche erhalten können.
Studien belegen, dass Intensivtherapien auch Jahre nach einem Schlaganfall noch erstaunliche Fortschritte in der Rehabilitation bewirken können. Zudem sind viele Einheiten in Physio- und Ergotherapie gerätegestützt. Sie erlauben eine hohe Anzahl von Wiederholungen, was für das motorische Lernen des Gehirns besonders wichtig ist.
Intensivtherapie auf Rezept
Augenstein ist überzeugt: „Wir Schlaganfall-Betroffene sind wie Spitzensportler, um weiterzukommen müssen wir unsere eigenen Grenzen permanent verschieben und immer an unserer Belastungsgrenze arbeiten. Die Therapeuten wissen das und fordern ihre Patienten, aber sie legen auch selbst noch Hand an“, lobt sie. Besonders erfreulich aus ihrer Sicht: Die Intensivtherapie hat sie als Kassenpatientin ganz normal auf Rezept verschrieben bekommen. Lediglich die übliche Zuzahlung zu Verordnungen musste sie leisten, ein zusätzlicher Grund für die Nominierung.