Anderen Menschen etwas zurückgeben

Der Kampf zurück ins Leben ist nach einem Schlaganfall schon schwer genug. Ulrich Joerg aus Abentheuer unterstützt zudem noch andere Betroffene.

Es ist ein Tag Anfang Juli 2016: Ulrich Joerg arbeitet gerade an seinem Schreibtisch, als er plötzlich das Gefühl über sein rechtes Bein verliert. „Ich wusste gleich, das ist ein Schlaganfall“, erinnert sich der Abentheurer. Zunächst läuft die Rettungskette vorbildlich an: Nur 40 Minuten nach dem Notruf wird Joerg auf einer Stroke Unit (Schlaganfall-Spezialstation) eingeliefert. Hier folgen sofort die nötigen Untersuchungen – der Verdacht Schlaganfall bestätigt sich – und der Behandlungsbeginn.

 

Doch dann der nächste Schreckensmoment: Ulrich Joerg verträgt das verabreichte Medikament nicht und erleidet einen anaphylaktischen Schock. „Für mich ist in diesem Moment eine Welt zusammengebrochen“, erzählt er. Am nächsten Tag zeigen sich dann die verheerenden Folgen des Schlaganfalls: „Ich konnte nichts mehr. Weder laufen noch ein Brötchen aufschneiden“, berichtet Joerg. Und das sind längst nicht alle Folgen: In der folgenden Reha bemerkt er Persönlichkeitsänderungen an sich, ist plötzlich viel aufbrausender als früher.

 

Doch es gibt auch Lichtblicke: Nach sechs Wochen in der Reha-Klinik schafft Ulrich Joerg es das erste Mal wieder, mit Messer und Gabel zu essen.

Ich habe vor Freude geweint.
Ulrich Joerg

Und das ist erst der Anfang. Joerg kämpft weiter für sein großes Ziel – die Rückkehr in seinen Beruf als Ergotherapeut. Mit Erfolg: Im April 2017 beginnt er mit der Wiedereingliederung an seinem Arbeitsplatz.

 

Mittlerweile ist Ulrich Joerg altersbedingt in Rente, hat jedoch noch einen Minijob in der Ergotherapie-Praxis von Benjamin Backes in Theley. So ist er auch zu seinem Ehrenamt gekommen: Durch die verstärkte Videotherapie während der Corona-Pandemie lernt er eine Online-Selbsthilfegruppe für Schlaganfall-Betroffene kennen. Als deren Leiterin ihr Engagement ein halbes Jahr später aufgeben muss, übernimmt Joerg die Leitung der bis zu 60 Personen zählenden Gruppe. Einmal die Woche treffen sich etwa 15 bis 20 von ihnen zum digitalen Austausch. Dazu kommen eine eigene Gruppe für Angehörige sowie spezielle Männer- und Frauen-Gruppen. Außerdem bietet Joerg für Betroffene die „Gripsgymnastik“, ein leichtes kognitives Training, an.

 

Zudem ist er als Vortragsredner aktiv. Anfang des Jahres veranstaltete er beispielsweise für die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe einen Online-Vortrag zu Konzentrationsstörungen nach einem Schlaganfall. Um sein Wissen über den Schlaganfall weiter zu vertiefen, hat der Abentheurer 2022 extra die Online-Ausbildung der Stiftung zum Schlaganfall-Helfer absolviert. Regelmäßig erreichen ihn nun auch über die Website der Schlaganfall-Hilfe die Fragen anderer Schlaganfall-Betroffener. 

 

Besonders wichtig für Ulrich Joerg: Alle seine Angebote sind kostenlos – auch, weil er für sein Engagement die Räume der Ergotherapie-Praxis umsonst nutzen kann. „Online-Angebote haben zudem den Vorteil, dass die Betroffenen, die nach ihrem Schlaganfall häufig nicht mehr so mobil sind, von zu Hause teilnehmen können“, erklärt er. Im Landkreis Birkenfeld und in St. Wendel können Betroffene Joergs Hilfe jedoch auch in Präsenz in Anspruch nehmen. Beispielsweise unterstützt er bei Reha-Einsprüchen oder beantwortet Fragen zur Heilmittelbehandlung. „Meine langjährige Berufserfahrung kommt mir dabei zugute“, hat der Ergotherapeut bemerkt.

 

Die Motivation für sein Ehrenamt beschreibt Joerg so: „Ich habe selbst sehr davon profitiert, dass mich andere Menschen – zum Beispiel Familie, Freunde und Kollegen – unterstützt haben. Auf diesem Weg kann ich davon etwas zurückgeben.“

 

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