Die Fachwelt bezeichnet sie als Post Stroke Depression (PSD), die Depression nach Schlaganfall. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie mindestens ein Drittel aller Schlaganfall-Patienten trifft. Inzwischen gibt es Studien zu diesem Thema. Man weiß, dass Frauen anfälliger für eine PSD sind. Wer nicht gut eingebettet ist in die Familie oder ein soziales Netzwerk, ist stärker gefährdet. Und depressive Vorerkrankungen stellen ebenfalls ein größeres Risiko dar.
Warum ist die Post Stroke Depression so bedeutsam?
Die neurologische Rehabilitation ist für viele, insbesondere schwerer betroffene Patienten harte Arbeit. Ein gelähmtes Bein zum Gehen oder eine spastische Hand zum Greifen zu bringen erfordert sehr viel Training und Geduld. Wer nicht ein Mindestmaß an Eigenmotivation mitbringt, um für ein Ziel zu schuften, an das er fest glaubt, wird sich das nicht antun. Genau das liegt die große Gefahr der Depression. Sie raubt Betroffenen ihren Antrieb und führt dazu, dass sie Therapien nicht mehr ernsthaft ausführen. Die Beobachtungen vieler Ärzte und Therapeuten sind wissenschaftlich belegt. In der sogenannten FLAME-Studie wurde Schlaganfall-Patienten in einem frühen Stadium ein Antidepressivum verabreicht. Im Vergleich zu anderen Patienten hatte diese Gruppe am Ende nicht nur seltener eine Depression, die Betroffenen hatten sich auch körperlich besser erholt und mehr motorische Fähigkeiten wiedererlangt.
Verletzung oder Trauer?
Experten sprechen bei der PSD oft von einer sogenannten reaktiven Depression. Sie entwickelt sich als Reaktion auf den Schlaganfall. Es ist die Trauer über den Verlust von Fähigkeiten, die Patienten in die Hoffnungslosigkeit treiben kann. Doch das ist nur eine Seite der Erkrankung. Der Schlaganfall ist eine Verletzung des Gehirns, die häufig auch direkt zu Persönlichkeitsveränderungen der Betroffenen führt.
Der Psychiater Golo Kronenburg und der Neurologe Matthias Endres haben eine viel beachtete Forschungsarbeit zu dem Thema geschrieben. Sie berichten von klinischen Beobachtungen, nach denen Schlaganfall-Patienten häufiger depressiv werden als Orthopädie-Patienten, selbst wenn ihre körperlichen Behinderungen vergleichbar sind. Es muss also mehr als nur die Trauer dahinterstecken. „Das sind organisch bedingte Wesensveränderungen“, sagt der Neurologe und Psychiater Hans-Peter Neunzig. „Vielen Angehörigen fällt es ganz schwer, das zu ertragen und damit umzugehen.“
Angehörige spielen eine wichtige Rolle
Dabei sind Angehörige so wichtig für die Genesung. Denn das ist die gute Nachricht: Die Depression nach Schlaganfall ist kein unabwendbares Schicksal. Sie ist heilbar, sagen viele Experten. Mit einer Kombination aus Medikamenten (Antidepressiva) und Gesprächen (Psychotherapie). Doch ohne professionelle Hilfe geht es nicht, und Angehörige spielen eine wichtige Rolle in diesem Prozess.