Früher Schlaganfall „heilt“ besser
Bewegung, Sprache, Denken, Sehen – das sind die vier Bereiche, die von einem kindlichen Schlaganfall – je nach Lage und Ausdehnung – betroffen sind. Einen großen Unterschied macht auch, wann das Kind den Schlaganfall erleidet. Etwa ein Drittel der Kinder ist bereits vor oder während der Geburt betroffen. Was grausam klingt, ist bei näherer Betrachtung häufig das geringere Übel. Über den Verlust von Fähigkeiten trauern diese Kinder erfahrungsgemäß kaum, sie wachsen mit der Behinderung auf. Zudem ist das Gehirn in den ersten Lebensjahren noch am besten in der Lage, sich zu reorganisieren. „Das gilt nicht für alle Bereiche, aber zum Beispiel für die Entwicklung der Sprache in besonderen Maße“, macht Prof. Dr. Steffen Berweck Eltern Mut. Fast alle Kinder mit einem vorgeburtlichen Schlaganfall lernen nahezu zeitgerecht das Laufen und das Sprechen.
Ab neun Monaten in die Reha
Berweck ist stellvertretender Chefarzt in einem Fachzentrum, dass Neuropädiatrie, Neurologische Rehabilitation und Epilepsie unter einen Dach vereint. In einem interdisziplinären Team hat er mit Kollegen und Therapeuten Rehabilitationsprogramme für Kinder ab neun Monaten entwickelt. Dass Kinder mittlerweile so jung nach Vogtareuth kommen, liegt vermutlich auch daran, dass kindliche Schlaganfälle heute früher diagnostiziert werden. Hier hat die Aufklärungsarbeit der Experten des Deutschen Netzwerkes Pediatric Stroke und auch der Deutschen Schlaganfall-Hilfe Früchte getragen. Die Datenlage zum kindlichen Schlaganfall wird immer besser und mit ihr auch die Genauigkeit von Prognosen, die Fachleute wie Steffen Berweck bei Kindern stellen können. „Leider sind die negativen Prognosen oft einfacher“, sagt der Kinderneurologe. „Wenn wir im MRT zerstörte Hirnregionen sehen, können wir recht sicher sagen, was ein Kind nicht lernen wird. Ist die Schädigung nicht so groß, ist es schwerer, konkret vorherzusagen, wie gut das Kind rehabilitieren wird.“
Therapie am Alltag orientiert
Doch auch aus negativen Prognosen können Kinder und Eltern einen Gewinn ziehen. Das therapeutische Programm der Schön Klink Vogtareuth orientiert sich vor allem an zwei Punkten: am individuellen Krankheitsbild und am Alltag der Kinder. Erkennen Ärzte in der Diagnostik beispielsweise, dass ein Arm seine Funktion nicht mehr zurückgewinnen wird, kann die Therapie frühzeitig auf Kompensationsstrategien setzen. Die Therapien der Schön Klinik Vogtareuth basieren auf Studien und Daten, aber auch auf praktischen Erfahrungen und dem interdisziplinären Austausch. In sogenannten Therapiecamps hat die Klink Fachleute zusammengeführt, um aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen auch konkrete Programme zur Rehabilitation der Kinder zu entwickeln.
Kindlicher Schlaganfall als Schwerpunkt
„Das ist eine unserer besonderen Stärken“, betont Klinik-Geschäftsführerin Dr. Katja Pöhls. „Diese Verbindung von Forschung und Praxis. Und wir behalten unser Wissen nicht für uns, sondern geben es weiter und stehen auch anderen Kliniken beratend zur Seite.“ Die Behandlung von Kindern nach Schlaganfall stellt einen Behandlungsschwerpunkt in Vogtareuth dar. Die Klinik verfügt über insgesamt 400 Betten, allein 92 davon stellt die Neuropädiatrie als größte Abteilung.
Nun macht die Klinik einen weiteren, großen Schritt in Richtung Nachsorge. Die zweite Schlaganfall-Kinderlotsin Deutschlands hat ihre Arbeit aufgenommen. Sie soll künftig betroffene Familien im Süden Deutschlands begleiten und beraten. Katja Pöhls freut sich sehr über diese neue Option. „Wir sehen hier schwer betroffene Kinder, für die wir auch über die Klinik hinaus etwas tun müssen“, beschreibt sie ihre Motivation. Familien zu begleiten und qualifizieren, das Thema kindlicher Schlaganfall stärker in die Öffentlichkeit zu bringen und strukturelle Verbesserungen zu schaffen, beispielsweise durch die Verbreitung von Fachwissen, darin sieht sie die drei Säulen der künftigen Lotsentätigkeit. „Und wer weiß? Vielleicht macht unser Modell Schule und wir haben in fünf bis sieben Jahren eine neue Funktion im Gesundheitswesen etabliert.“
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