"Jymmin" - Trainingsgeräte erzeugen Klänge
Tom Fritz ist Professor am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Mit seiner Forschungsgruppe „Musikevozierte Hirnplastizität“ entwickelte er „Jymmin“ – ein Kunstwort, das sich zusammensetzt aus „jammen“ (zwanglos miteinander musizieren) und „gym“ (engl. für Training).
Jymmin ist im Grunde schnell erklärt. Trainingsgeräte, wie man sie in der motorischen Rehabilitation von Schlaganfall- Betroffenen einsetzen kann, erzeugen Klänge. Durch Art oder Intensität der Bewegung können Patienten die Klänge und Rhythmen verändern. Das macht ihnen so viel Spaß, dass sie gar nicht merken, wie anstrengend es ist.
Besonders spannend wird es, wenn mehrere Patientinnen und Patienten gemeinsam an Trainingsgeräten musizieren. Sie benötigen keine musikalische Vorbildung, denn „die Musik ist so komponiert, dass sie immer harmonisch klingt“, sagt Tom Fritz. Auch das Alter spiele keine Rolle, Kinder und Senioren fänden gleichermaßen Spaß daran, weil die Methode eine Auswahl zahlreicher Musikstile, Rhythmen und Instrumente bietet.
Patienten selbst können in das Musikgeschehen eingreifen
„Das Tolle ist, dass man über den Rhythmus nicht nur Bewegungsmuster aktiviert, sondern dass die Patienten selbst in das Musikgeschehen eingreifen können“, sagt Prof. Stephan Bamborschke, der die neue Trainingsmethode am Zentrum für Postakute Neurorehabilitation in Berlin einführte. „Das ist gut für die Stimmung und auch für die Gemeinschaft.“ Wer lieber alleine trainiert, kann ein Ergometer mit Jymmin-Effekt aber ebenso solo für das Eigentraining nutzen.
"Wir haben Musizieren so anstrengend wie möglich gemacht"
„Man kann Menschen damit herausfordern, beim Jymmin gehen sie an ihre Grenzen, aber empfinden es als gar nicht so anstrengend“, erklärt Tom Fritz den Effekt. Damit erreicht er das, was Therapeuten „Shaping“ nennen: Patientinnen und Patienten beim Training stets an ihre Leistungsgrenzen zu bringen, weil motorisches Lernen erst in diesem Bereich große Effekte bringt. „Wir haben Musizieren so anstrengend wie möglich gemacht“, erklärt Tom Fritz den Grundgedanken.
Es ist wohl nicht nur die Anstrengung, die – von Patienten kaum bemerkt – eine therapeutische Wirkung entfaltet. Tom Fritz und sein Team haben auch den Muskeltonus gemessen. „Es scheint so zu sein, dass Muskeln weniger verspannt sind, wenn man der Bewegung einen ästhetischen Sinn gibt“, so Fritz. Dieses Phänomen wollen sie sich jetzt in der Therapie der Spastik zunutze machen – eine erste Studie läuft.
Aus den Experimenten ist ein Start-up-Unternehmen hervorgegangen. Die Jymmin GmbH hat bereits erste Rehakliniken mit Geräten ausgestattet. Nun geht sie dazu über, Kooperationen mit Medizintechnik-Unternehmen zu schließen.