Wenn es junge Menschen trifft

Schlaganfälle bei jungen Menschen haben häufig seltene Ursachen. Der Neurologe Prof. Dr. Markus Krämer vom Essener Alfried Krupp Krankenhaus erklärt im Interview, wie es dazu kommen kann.

Prof. Dr. Markus Krämer

Im Interview:
Prof. Dr. Markus Krämer
Neurologe vom Essener Alfried Krupp Krankenhaus

  • Herr Professor Krämer, Schlaganfall bei jungen Menschen – das klingt surreal, oder?

Früher hieß es oft „zu jung für einen Schlaganfall“. Und auch heute noch ist das in vielen Köpfen die landläufige Meinung. Dabei ist der Schlaganfall bei jungen Menschen gar nicht so surreal, sondern trauri­ge Realität. In Deutschland trifft es rund 35.000 jedes Jahr.

 

  • Haben jüngere Menschen andere Ursachen als ältere?

Ja, es gibt große Unterschiede bei den Ursachen von Schlaganfällen bei jungen Patientinnen und Patienten im Vergleich zu älteren Betroffenen.

 

  • Woran liegt das?  

Dies liegt daran, dass sehr junge Menschen unter 45 Jahren bis auf sehr wenige Ausnahmen noch keine Arteriosklerose (Arterienverkalkung) entwickelt haben und auch das Herz noch nicht so geschädigt ist, dass sich Gerinnsel bilden könnten. In jüngeren Jahren sind Einrisse in der Gefäßwand mit nachfolgender Gerinnselbildung, sogenannte Dissektionen, eine häufige Ursache für den Schlaganfall. Eine andere Ursache ist das Durchrutschen von Gerinnseln ins Gehirn durch ein Loch im Herzen, das sogenannte PFO, Persistierendes Foramen ovale. Aber auch viele andere seltene Erkrankungen können bei jüngeren Patientinnen und Patienten zu einem Schlaganfall führen.

 

  • Lassen sich die Ursachen immer finden?

Leider nicht, wir sprechen dann von einem „kryptogenen Schlaganfall“. Er sollte nur diagnostiziert werden, wenn wirklich umfassend nach Schlaganfall-Ursa­chen gesucht wurde. Denn nur wenn man die Ursache des Schlaganfalls kennt, kann man diese in Zukunft gezielt ausschalten und damit einen erneuten Schlag­anfall verhindern.

 

  • Welche Empfehlungen können Sie geben, wenn keine Ursache gefunden wurde?

Mein Rat ist tatsächlich, sich zunächst im Rahmen des akuten Schlaganfalls in einer guten neurologischen Klinik breit untersuchen zu lassen. Und wenn keine Ursache gefunden wird, auch zeitversetzt, zum Beispiel nach drei bis sechs Monaten, noch einmal nach­untersuchen zu lassen.

 

  • Wie hoch ist die Gefahr eines wiederholten Schlaganfalls?  

Es hängt sehr vom Alter und damit von den Ursachen ab. Häufig ist die Rückfallrate bei den jungen Betroffenen unter 45 Jahren deutlich geringer als bei den 45-bis 55-Jährigen und älteren. Das liegt daran, dass  zum Beispiel ein Einriss der Gefäßwand an sich so selten passiert, dass sich dieses Ereignis kaum wiederholt.

 

  • Wie ist die Prognose für junge Betroffene?  

Jüngere Schlaganfall-Betroffene erholen sich körperlich oft besser von einem Schlaganfall. Oft kön­nen bei ihnen durch meist längere Rehabilitations-behandlungen sehr gute Erfolge erzielt werden. Ne­ben der körperlichen Behinderung wirken sich auch andere Faktoren auf den weiteren Verlauf aus. Hier ist insbesondere die Psyche zu nennen. Depressionen beispielsweise spielen eine große Rolle für die weite­re Lebensqualität nach einem Schlaganfall. Daher ist es wichtig, die sogenannte Post-Stroke-Depression, also die Depression nach einem Schlaganfall, frühzei­tig zu erkennen und zu behandeln.

 

  • Gibt es Präventionsmöglichkeiten?

Der klassische juvenile Schlaganfall ohne Risikofaktoren trifft die Menschen tatsächlich wie ein Schlag. Aber auch, wenn im jungen Alter die klassischen Risi­kofaktoren wie beispielsweise Arteriosklerose, Diabetes oder Herzrhythmusstörungen keine so große Rolle spielen, ist eine gesunde Lebensweise die beste Prävention.  

 

Herr Professor Krämer, vielen Dank für das Ge­spräch.